Ansichten
zu Politik und Recht

Eugen David

Schweizer Aussenpolitik
im rechtsnationalen Fahrwasser

Seit den Bundesratswahlen 2017/18 sind Staaten, die von autoritären Führern beherrscht werden, ein bevorzugtes Reiseziel der Schweizer Regierung. Besonders aktiv sind die Regierungsmitglieder U. Maurer und I.Cassis.

Das Reiseprogramm

SVP-BR Maurer war beim Chinesen Xi Ping, beim Saudi-Araber bin Salman, beim US-Amerikaner Trump. Demnächst will er zum Russen Putin fahren.

FdP-BR Cassis war ebenfalls in Putins Moskau und in Trumps Washington, ausserdem in Erdogans Türkei und in Sambia.

Die Bundesräte wollen, so heisst es, der Schweizer Wirtschaft, v.a. Chemie, Banken und Rohstoffhändlern helfen, in den von Autokraten beherrschten Ländern noch besser Fuss zu fassen.

Belt and Road

Bundesrat Maurer fördert mit hohem persönlichen Einsatz und Steuermitteln des Bundes Xi Ping‘s Mega-Projekt „Belt and Road“.

Der chinesische Einparteienstaat unter Xi’s Allmacht kriecht mit Belt and Road wie ein Krake über den Globus.

Die in der Schweiz angesiedelten internationalen Konzerne und Amtsstellen des Bundes sollen dem chinesischen Machthaber dabei helfen.

Natürlich nicht unentgeltlich. Es gibt gutes Geld zu verdienen.

Das perfektionierte staatliche Überwachungs- und Sanktionssystem der kommunistischen Partei Chinas stört nicht.

Bei den Saudis, bei Trump,
aber nicht bei Chamenei

Beim radikal-islamischen Machthaber bin Salman in Saudi-Arabien feiert SVP-BR Maurer mit anderen Freunden der Saudis dessen Billionen-Projekt „Vision 2030“.

Der Saudi will seine Oelfirma Aramco an die Börse bringen. Die CH-Banken erhoffen sich mehrere hundert Millionen Gebührenerträge. Um den saudischen Börsengang zu fördern, reist der SVP-BR nach Riad.

Die Ermordung des Journalisten Khashoggi vom 2. Oktober 2018 durch den saudischen Geheimdienst in Istanbul sei „abgehakt“, meinte er schon im Januar 2019 am WEF.

Der mörderische Krieg von bin Salman gegen Jemen ist angesichts der grossen Geschäfte irrelevant. Das ist die Umsetzung der aktuellen aussenpolitischen Doktrin "Switzerland first".

Am 16. Mai 2019 eilte SVP-BR Maurer auf Bestellung des US-Präsidenten Trump nach Washington. Trump verlangte von BR Maurer einen Telefonkontakt zum obersten iranischen Ajatollah, Ali Chamenei.

Am 16. Juli 2019 empfing FdP-BR Cassis US-Aussenminister Pompeo in gleicher Sache im Tessin. Auf Wunsch der USA verwaltet die Schweiz seit langem die US-Interessen im Iran. Weder BR Maurer, noch BR Cassis konnten die Forderungen Trumps erfüllen. Aber man war wenigstens dienstfertig und hofft auf Trumpsches Lob.

Bereits im Februar weilte Bundesrat Cassis in gleicher Sache bei US-Sicherheitsberater Bolton in Washington und brachte die Botschaft heim, ein CH-USA-Freihandelsabkommen sei nicht mehr eine Frage des «Ob», sondern nur des «Wann». Seither herrscht gespannte, aber unerfüllte Erwartung.

Ali Chamenei wollte nicht telefonieren. Trump hat Bolton entlassen.

Die Kupfermine in Afrika,
die Botschaft in Moskau,
die Expo in Dubai

In Mopani/Sambia besuchte BR Cassis das Kupferbergwerk des Rohstoffhändlers Glencore und gab sich am 7. Januar 2019 per Twitter « impressionné par les efforts en faveur de la modernisation des installations et de la formation des jeunes». Die gesundheitsschädliche Konzentration von Schwefeldioxid in der Umgebungsluft der Kupfermine war kein Thema.

Hauptsponsoren der opulenten Neueröffnung der Schweizer Botschaft in Moskau mit den Ministern Cassis und Lavrov waren Glencore, der Tabakkonzern Philip Morris und der russische Oligarch und Putin-Freund Gennadi Timtschenko mit Steuer-Wohnsitz in der Schweiz.

Die Banken sollten die Aussenpolitik mitgestalten, meinte FdP-BR Cassis an einer Bankenveranstaltung in Zürich im Oktober. Im Sommer plante das EDA mit Hilfe von Philip Morris als Hauptsponsor, den Schweizer Auftritt an der EXPO 2020 in Dubai zu gestalten. Nach medialen Protesten blieb es bei Schall und Rauch.

Erdogan

Auf den blossen Verdacht hin, dass sie seine Alleinherrschaft ablehnen, hat Erdogan in einer Säuberungswelle einen Drittel der türkischen Richter entlassen. Hunderte hat er aus dem gleichen Grund ins Gefängnis gesteckt.

Insgesamt hat Erdogan seit 2016 rund 50‘000 Menschen unter dem Verdacht politischer Gegnerschaft verhaften lassen. 90‘000 Beamte hat er aus dem gleichen Grund entlassen.

Am 12. Juli 2019 besuchte FdP-BR Cassis den Aussenminister und Erdogan-Gefolgsmann Cavusoglu in Istanbul und lobte die guten Beziehungen der Schweiz mit der Türkei. Laut NZZ betonte er „die Bedeutung der Türkei für die Stabilität der Region und die zentrale Rolle, die dem Land für die Steuerung der Migration nach Europa zukomme.“

Im November 2019 marschiert Erdogan mit Panzern in Nordsyrien ein, um die dortigen Kurden zu vernichten.

Belt and Road zum Zweiten

Im Oktober 2019 empfingen die Bundesräte Maurer und Cassis den chinesischen Aussenminister in Bern, um Xi Pings’s Belt and Road-Projekt in der Schweiz voranzubringen.

Zusammen mit SVP-BR Parmelin hatte sich SVP-BR Maurer am 29. April 2019 in Peking verpflichtet, hierzulande eine «Belt and Road Initiative competence-building platform» zu schaffen. Auf Deutsch: eine chinesisch-schweizerische Propaganda-Plattform für das Xi Ping-Projekt.

Bereits FdP-BR Schneider Ammann reiste oft und gerne nach China, bewunderte die dortigen Potentaten des autoritären Ein-Parteinen-Regimes und lud sie zu volkstümlichen Events in die Schweiz ein.

Man stelle sich vor: ein Bundesrat würde ein analoges EU-Propaganda-Projekt wie die Plattform Belt-and-Road in der Schweiz lancieren. Das Geschrei der Rechtsnationalen und ihrer Medien wäre ohrenbetäubend. Kein Mitglied der derzeitigen Regierung würde es wagen. Aber für den chinesischen Alleinherrscher, da macht man mit.

Die Schweizer Journalisten durften dem Besuch aus Pekings nur zwei Fragen stellen. Die Anpassung der Schweizer Regierung an chinesisches Brauchtum macht Fortschritte.

Zum Schluss noch Putin und Kasachstan

Auf Befehl Putins besetzten am 27. Februar 2014 russische Geheimdienstleute das Parlamentsgebäude auf der Krim. Danach annektierte Putin die Krim und eröffnete einen Krieg gegen die Ukraine im Donbass, der heute noch andauert.

Im Kriegsverlauf wurde am 17. Juli 2014 mit russischen Lenkwaffen über dem Donbass ein malaysisches Passagierflugzeug abgeschossen. Unter den 298 Toten befanden sich 80 Kinder.

Korruption und Eingriffe in die Justiz sind in Kasachstan an der Tagesordnung. Hinsichtlich der Pressefreiheit 2017 belegt Kasachstan Platz 157 von 180 Ländern.

Im Parlament verfügt die Partei des herrschenden Clans Nasarbajew über 99% der Sitze.

Was SVP-BR Maurer zum Abschluss seines Jahrs als Bundespräsident bei Putin in Moskau und im Lande des kasachischen Diktators Nursultan Nasarbajew sucht, ist unbekannt. Möglicherweise ist es einfach persönliche und politische Sympathie zu den ehemaligen KGB-Funktionären der Sowjetunion und zu ihrer heutigen absoluten Macht über Menschen.

Was nach Xi Ping, bin Salman und Trump durchaus ins Bild passen würde. Die Hauptstadt Kasachstan wurde auf Nursultan umgetauft. Hoffentlich bleibt Bern ein analoges Schicksal erspart.

Wo bleibt 2019 Europa?

Europa fand 2019 aussenpolitisch nicht statt. Eine Nachbarschaftspolitik mit den angrenzenden EU-Mitgliedstaaten war nicht erwünscht. Das frühere wertvolle persönliche Beziehungsnetz auf Regierungsebene existiert nicht mehr in Europa. Hier soll – anders als für Xi Ping und die Saudis - nichts investiert werden. Schliesslich gilt die EU bei der Regierungsmehrheit als Gegner und nicht als Partner.

Das Reiseprogramm und die aussenpolitischen Aktivitäten 2019 widerspiegeln die rechtsnationale Weltanschauung und Europagegnerschaft der aktuellen SVP/FDP-Bundesratsmehrheit.

Die Schweiz ist eine Enklave der Europäischen Union mit vielen verdrängten Abhängigkeiten in Politik und Wirtschaft: eine unangenehme und nicht akzeptierte Realität für die Parteien aus dem rechtsnationalen Spektrum, die jetzt die Regierungspolitik prägen.

Das Faktum ‚Europa‘ wird mit den Reisen zu den Autokraten und Diktatoren dieser Welt überspielt.

Besteht eine Affinität der eigenen Weltanschauung zur Ideologie der besuchten Herrscher und Potentaten? Oder müssen zwecks Machterhalt Souveränitätsillusionen und Nationalismus in der eigenen Partei mit Besuchen bei Alleinherrschern alimentiert werden?

Jedenfalls sollen die internationalen Konzerne mit Steuersitz in der Schweiz die Aussenpolitik im rechtsnationalen Fahrwasser unterstützen. Do ut des.

Die intensive regierungsamtliche Beziehungspflege mit den neuen Freunden aus dem autoritären Lager in aller Welt verheisst nichts Gutes.

Die meisten Schweizer dürften froh sein, mitten in Europa zu leben, und nicht an der Grenze zu Russland oder unter X-Ping in China, unter Erdogan in der Türkei, unter bin Salman in Saudi-Arabien oder im Lande Nursultans.

In der Schweizer Aussenpolitik wären andere Prioritäten angezeigt.

19.11.2019

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